ATdS. Arbeitstagung der Skandinavistik
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AK 2: Dinge in der altnordischen Literatur

Elena Brandenburg, Universität zu Köln, elena.brandenburg@uni-koeln.de
Daniela Hahn, LMU München, daniela.hahn@lrz.uni-muenchen.de

Die Literatur des Mittelalters ist voll von besonderen Dingen, die seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit der mediävistischen Forschung auf sich ziehen. Interessant sind etwa bewegliche Dinge, die durch mehrere Hände, Zeiten und Räume gehen und Figuren und Erzählebenen verknüpfen, oder auch symbolträchtige Dinge, an und mit denen bestimmte Themen verhandelt werden. Auch die Erzählwelten des Nordens beinhalten zahlreiche bemerkenswerte Dinge wie Thors Hammer Mjölnir, den Ring Andvaranaut oder das berühmte Schwert Tyrfing, die ganz offenkundig mehr sind als unbelebte Objekte. Dinge können weitergegeben werden und verknüpfen dadurch als Teil von Gabenhandlungen Figuren und Handlungsstränge miteinander und tragen entscheidend zur Erwartungslenkung mittelalterlicher Texte bei. Materielle Erzählstrategien haben erheblichen Anteil an der ‚Gedächtnisökonomie‘ gerade jener Texte, die stark handlungsorientiert erzählen und wenig Raum für erklärende Rückschau bereithalten: Das Schwert, der Ring, der Umhang – sie müssen nur genannt werden, um eine ganze Reihe von Handlungsketten, Verflechtungen und Emotionen beim Rezipienten wachzurufen. Diese Funktion haben Dinge auch innerhalb der Erzählwelt, indem der Anblick eines speziellen Dings die Figur an etwas erinnern, in Rage versetzen, oder aber trösten kann. Einige Gegenstände werden so stark mit Bedeutung aufgeladen, dass sie sogar als handlungsmächtige Mit-Aktanten identifiziert und analysiert werden können (von tatsächlich sprechenden und wandelnden Dingen ganz zu schweigen!). Unter ihnen finden sich einige besonders interessante Dinge, die Namen tragen, in mehreren Texten vorkommen und dem Publikum wohlmöglich vertrauter sind als den Figuren der erzählten Welt.

Im Anschluss an aktuelle Forschungsprojekte benachbarter Fächer (vgl. DFG-Netzwerk ‚Dinge in der Literatur des Mittelalters‘ (https://www.glw.uni-jena.de/forschung/netzwerk-dinge-in-der-literatur-des-mittelalters); MEMO 8 (2021), Themenheft ‚Erzählende Dinge. Funktionen der Objekte in Narrativen in Mittelalter und Frühneuzeit‘) sollen im Arbeitskreis Dinge als Mit- und Gegenspieler in Bezug auf Konzepte von Körperlichkeit, Identität und Alterität (Rüstung, Schutzgegenstände, Schmuck) betrachtet werden, um so in einen größeren Kontext der Relation zwischen Mensch und Ding eingeordnet zu werden. Die bereits vorliegenden Modelle zur Untersuchung der Dinge in mittelalterlichen Literaturen können unsere zumeist figurenzentrierten Lektüren auf vielfältige Weise bereichern und im Gegenzug durch die reiche altnordische Überlieferung erweitert werden. Auf dieser Grundlage sind im Arbeitskreis sowohl Beiträge mit einer theoretischen Perspektive auf das Thema willkommen als auch solche, die sich besonderen (magischen, göttlichen, andersweltlichen) Dingen im Einzelnen widmen, oder durch close reading der Texte materielle Erzählstrategien aufdecken.